DFG-Forschergruppe Natur
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Gastvortrag Matthias Müller: "Wiederkehr der Mimesis"

Der Stilwechsel in den höfischen Porträts Lucas Cranachs des Jüngeren als künstlerischer und politischer Paradigmenwechsel

01.12.2014 um 18:00 Uhr

Gastvortrag von Prof. Dr. Matthias Müller (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Ort: Ludwig-Maximilians-Universität München, Hauptgebäude Geschwister-Scholl-Platz 1 EG, Hörsaal A 014

Zeit: Montag, 1. Dezember 2014, 18 Uhr c.t.

Fragt man nach den spezifischen künstlerischen Leistungen bzw. dem künstlerischen Konzept, das Lucas Cranach den Jüngeren spätestens seit den 1550er Jahren von der etablierten Ästhetik des unter seinem Vater geschaffenen "Cranach-Stils" unterscheidet, treten unweigerlich seine gemalten Porträts in den Blick. Sie belegen vielleicht am deutlichsten, dass sich Cranach der Jüngere bereits in den letzten Jahren vor dem Tod seines Vaters mehr und mehr von dem Porträtkonzept seines Vaters abzusetzen begann und ein eigenes, an aktuellen Normen der oberitalienischen Porträtmalerei orientiertes Konzept entwickelte. Waren es zunächst nur Modifikationen der in der Cranach-Werkstatt tradierten Porträtauffassung, so stellen die künstlerischen Veränderungen auf dem Gebiet der Komposition, Lichtführung, des Farbauftrags und der mimetischen Interpretation der Gesichtszüge der Porträtierten schließlich einen sichtbaren Bruch mit der Porträtmalerei seines Vaters, Cranachs des Älteren, dar. Während dieser trotz teilweise detailliert beobachtender und charakterisierender Vorstudien in den ausgeführten Bildnissen seit den 1530er Jahren das Konzept einer prononcierten Stilisierung und Ikonisierung betrieb und damit die Physiognomie der Dargestellten letztlich auf das Schema eines eleganten aber entindividualisierten kursächsischen Hofstils reduzierte, überwand Cranach der Jüngere diese zur Floskel gewordene Ästhetik. An ihre Stelle setzte er verstärkt auf mimetische Bildverfahren, wie sie in der oberitalienischen Porträtmalerei der Zeit um 1550 verfolgt wurden, und knüpfte damit zugleich in gewisser Weise an künstlerische Verfahren aus dem Frühwerk seines Vaters an. Dadurch verringerte er nicht nur die in der Cranach-Werkstatt bis dahin vorhandene ästhetische Diskrepanz zwischen den Vorstudien und den ausgeführten gemalten Bildnissen, sondern sicherte der Cranach-Werkstatt den Anschluss an aktuelle künstlerische Normen der höfischen Porträtmalerei und damit schließlich auch die Konkurrenzfähigkeit seiner Werkstatt im Umfeld der Fürstenhöfe. Hinzu kommt ein wichtiger politischer Aspekt, der die Cranach-Werkstatt nach dem durch Kaiser Karl V. 1547 erzwungenen Herrschaftswechsel im kursächsischen Fürstenhaus und der Hinwendung zu den Habsburgern offensichtlich veranlasste, sich auf die ebenfalls veränderten künstlerischen Präferenzen am neuen kursächsischen Hof von Moritz von Sachsen in Dresden einzustellen.

Bildangaben: Lucas Cranach d. J.: Bildnis von Kurfürst Johann Georg von Brandenburg, 1570-75, Dresden, Galerie Alter Meister (Ausschnitt)