DFG-Forschergruppe Natur
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Teilprojekt 8: Natur als Argument in juridischen Diskursen und literarischen Imaginationen von der Frühen Neuzeit bis zur Aufklärung

Prof. Dr. jur. Susanne Lepsius, M.A. (Chicago)
Prof. Dr. phil. Friedrich Vollhardt

Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Dr. Oliver Bach

Das rechts- und literarhistorische Projekt untersucht den epistemischen Neuansatz, wie er mit der naturrechtlichen Systembildung seit dem frühen 17. Jahrhundert erfolgt. Während in der ersten Förderperiode das innovative Potential der juristischen Begriffsbestimmungen und deren Wechselwirkung mit literarischen Imaginationen in der Frühen Neuzeit im Mittelpunkt stand – von besonderer Bedeutung war hier das Theorem des status naturalis −, wird in der zweiten Förderperiode die Korrelation zwischen dem juristisch-naturrechtlichen Diskurs und gesellschaftsethischen Reflexionen im frühen 18. Jahrhundert untersucht und bis in die Zeit um 1790 verfolgt. In den rechts- und philosophiehistorischen Darstellungen werden diese Gegenstandsbereiche üblicherweise getrennt; die Entwicklung des positiven Rechts wird nur selten auf die um 1600 eingeleitete Wende im Naturrechtsdenken bezogen. Das Verbundprojekt unternimmt den Versuch, diese der Eigenperspektive der Epoche nicht angemessene Trennung aufzuheben, die einer erst später erfolgten Ausdifferenzierung der Disziplin(en) und ihrem Fortschrittsbegriff geschuldet ist. Stattdessen sollen im Gegen- und Miteinander von Traditionsbezug und Diskontinuitätsbehauptung Beschreibungskategorien für beide Wissensfelder entwickelt werden, wobei die für das Naturrecht bedeutsamen Annahmen in Beziehung zu jenen narrativen Experimenten zu setzen sind, die – unter Aufnahme rechtlicher Semantik und neuen anthropologischen Denkmotiven – Modelle idealer gesellschaftlicher Lebensformen entwerfen. Diese Entwicklungen sind aufeinander bezogen: Der Erfindung des Staates im Rekurs auf einen von der Natur gegebenen Ausgangspunkt korrespondiert ein aus dieser Reflexionstheorie gewonnenes Bild des Menschen, das diesen in einem Netzwerk von Beziehungen definiert und so fundamentale Normen und Obligationen generiert.

Nature as Argument in Juridical Discourses and Literary Imaginations from the Early Modern Period to the Enlightenment

This project combines legal and literary history in an exploration of new epistemic approaches regarding the developments in natural law from the early 17th century on. After reconstructing the early modern interdependencies between the innovative potential of professional jurisprudence and literary imaginations during the first period of the program, the second period will focus on the correlation between the natural law discourse and social ethics from the early 18th century to 1790. Historical accounts have usually treated these two strands separately, the developments of positive law having been rarely correlated with the new paradigm in natural law that emerged around 1600. Our joint project undertakes to overcome this divide, which the period itself did not draw but which is the product of later disciplinary distinctions and their particular narratives of progress. We aim to develop descriptive categories that will enable us to consider the two fields together both in their dependence on older, mainly legal traditions and in their discontinuities with these traditions. In doing so, we will relate ideas connected with natural law and, especially, conceptions of the status naturalis to narrative experiments in which juridical propositions are tested under utopian conditions – literary texts that depict the lives of consummately virtuous people in an ideal commonwealth. The developments which are to be explored are interdependent: the invention of the state founded on an idea of 'natural' origin has its counterpart in an anthropology that defines man as dependent on a network of social relations generating fundamental norms and obligations.