DFG-Forschergruppe Natur
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Teilprojekt 4: Politische Anthropologie der Tierepik

Prof. Dr. Michael Waltenberger

Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Kathrin Lukaschek, M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Maximilian Wick, M.A. und Jan Sebastian Glück, M.A.
Wissenschaftliche Hilfskraft: Franziska Ascher, M.A.

Das Teilprojekt untersucht die lateinische und volkssprachige Tierepik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als ein Textfeld, in dem sich spezifisch poetische Weisen einer Reflexion des Politischen abzeichnen. Das eigenständige diskursive Potential des tierepischen Erzählverfahrens beruht insbesondere auf wechselnden, nicht systematisch arretierbaren Überlagerungen zwischen menschlicher Intentionalität und Institutionalität einerseits und animalischer Triebnatur andererseits. Weithin selbstverständlich geltende Fundierungen der politischen Ordnung in der Natur des Menschen werden dadurch verunsichert, so dass kulturell fundamentale Paradoxien der Begründung von sozialem Zusammenschluss, von Machtverhältnissen, Herrschaftsansprüchen und Rechtsgeltungen sehr viel prägnanter zutage treten können, als dies unter den Vorgaben der zeitgenössischen politischen Theoriediskurse möglich ist.
In der zweiten Phase soll der historische Fokus unserer Untersuchungen von den mittelalterlichen deutlicher zu den frühneuzeitlichen Texten verschoben werden; die erfolgreiche exemplarische Erprobung des Frageansatzes wird dabei nun verstärkt auf Beobachtungen des diachronen Wandels der Gattung im Kontext eines sich neu ausdifferenzierenden Literatursystems bezogen sowie auf die Erschließung von Transformationen der diskursiven Charakteristik tierepischer Texte unter den Bedingungen veränderter epistemischer Voraussetzungen insbesonders auch in der politischen Theoriediskussion. Geschichtlichkeit rückt daneben auch mehr und mehr als intratextuelle Dimension ins Zentrum unseres Interesses: Schon in den mittelalterlichen Texten wird mitunter die der fiktionalen Disposition eingeschriebene 'naturalisierende' Suggestion von Anfangslosigkeit und Permanenz der politischen Ordnung im Tierreich durch den Rückblick auf Ursprünge oder durch Szenarien des Umbruchs und Zerfalls der Ordnung relativiert. In den frühneuzeitlichen Texten scheinen sich entsprechende Verhandlungen der Geschichtlichkeit von politischer Ordnung – mit neuen Akzenten – noch stärker durchzusetzen. Weitere wichtige Interessensschwerpunkte der zweiten Arbeitsphase liegen zum einen bei der Analyse des Sujets der Gerichtsverhandlung als zentralem Erzählsyntagma des frühneuzeitlichen Fuchsromans, zum andern bei der Rekonstruktion der spezifischen Modellierungen sozialer Differenzen, soweit Argumente der Körperlichkeit, der Abstammung und Sippe sowie des Geschlechts in der Projektion auf die spezifischen Bedingungen der tierepischen Erzählwelt narrativ verhandelt werden.

Political Anthropology of Beast Epic

The project focuses on medieval and early-modern beast epic, both in Latin and in the vernacular. The distinct discursive potential of the beast epic derives from the variable, not systematically determinable, interplay between specifically human features (intentionality, institutionality) on the one hand and animal instinct on the other. This enables beast epic to raise questions about widely accepted foundations of the political order in human nature. Thus, culturally central paradoxes in the foundation of social groupings, power structures, claims to power and the validity of legal rights appeared more clearly in the literary genre of beast epic than in medieval political theory.
In the second phase of the project the historical focus of our studies will be shifted from medieval to early-modern texts. Our attention will now be more closely directed at (1) the diachronic changes of the literary form in the context of a newly differentiated literary system and (2) the development of the specific beast epic discourses under the changed epistemic foundations in political theory. In addition, historicity as an intratextual dimension will also move more sharply into our focus. The 'naturalizing' elements of the fictional arrangements, whereby the political order in the kingdom of animals remains unchanged, are sometimes modified by a reflection on the origins of political order, or by examining scenarios of its change and decay. The early-modern texts we will study seem to put a greater emphasis on the historicity of political order. Another main research interest will be the narrative motif of the court hearing, a central feature of the early-modern fox-novel. Furthermore we will reconstruct in detail the presentation of social differences in beast epics, taking into consideration how arguments based on bodily features, genealogy, kinship or gender are adapted and transformed under the specific fictional and narrative conditions of these animal stories.