DFG-Forschergruppe Natur
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TP 1: Das gezähmte Chaos und die göttliche Gabe der Fruchtbarkeit. Naturmotivik in der althebräischen Königsideologie und ihre Transformation in der heilsgeschichtlichen Theologie des Alten Testaments

Prof. Dr. Christoph Levin
Prof. Dr. Reinhard Müller

Projektmitarbeiter: Dipl.-Theol. Petra Schmidtkunz und Dr. Peter Juhás

Das Projekt hat zwei Schwerpunkte, die thematisch eng aufeinander bezogen sind, historisch jedoch unterschiedliche Abschnitte der Geschichte Israels betreffen. In einem ersten Schwerpunkt sucht das Projekt die These zu erweisen, dass die im Alten Orient verbreitete ambivalente Deutung von Natur, die sich im Motiv der gezähmten Chaosmächte symbolisch verdichtet hat, auch in den eisenzeitlichen Königtümern Israel und Juda geteilt wurde und hier wie andernorts zur Begründung von Herrschaft diente. Zu diesem Zweck soll anhand der im Alten Testament enthaltenen königszeitlichen Texte sowie anhand textlicher und vor allem ikonographischer Primärquellen, die sich aus der Königszeit erhalten haben, die althebräische Königsideologie möglichst umfassend rekonstruiert werden. Als Leitmotiv der Rekonstruktion soll der in Texten und Bildern bezeugte Motivkreis der gezähmten Chaosmächte dienen, der anhand des darin vorausgesetzten Zusammenwirkens von göttlichem und irdischem König auf seine königsideologischen Implikationen befragt werden soll.

Ein zweiter Schwerpunkt gilt den tiefgreifenden Transformationen, die der Motivkreis des gezähmten Chaos im Gefolge des Untergangs der Königtümer Israel und Juda erfuhr. Die Transformationsprozesse, die durch die sukzessiven Katastrophen der Königsherrschaft vom 8. bis zum 6. Jahrhundert v.Chr. ausgelöst wurden, sollen exemplarisch zunächst anhand von Schlüsseltexten des Deuteronomiums analysiert werden, da dieses Buch wahrscheinlich an der Schwelle von der späten Königszeit zur nachköniglichen Zeit steht. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf Texten aus den Rahmenkapiteln des Deuteronomiums, in denen Naturmotivik begegnet (v.a. Dtn 32 und 33). Dass diese Texte, zumindest in ihrer jeweils vorliegenden Endgestalt, auf die heilsgeschichtliche Theologie der Pentateucherzählung bezogen sind, in deren Mitte die Vorstellung der Gottunmittelbarkeit des Gottesvolkes Israel steht, hat die in ihnen enthaltene Naturmotivik in hohem Maß geprägt und die Vorstellung des gezähmten Chaos in den Hintergrund gedrängt; gleichzeitig sind aber nicht wenige überraschende traditionsgeschichtliche Kontinuitäten zu beobachten (z.B. bei Motiven aus dem Vorstellungskreis des königlichen Wettergottes in Dtn 28 und 33), deren theologischer Sinn bislang höchstens ansatzweise erfasst wurde. Indem das Projekt diese Prozesse rekonstruiert, trägt es dazu bei, die Theologie des Deuteronomiums, gerade was seine jüngeren Schichten betrifft, in einen religionsgeschichtlichen Horizont zu stellen. In der zweiten Projektphase soll die Untersuchung dieser Transformationsprozesse auch auf andere Schlüsseltexte der heilsgeschichtlichen Theologie des Alten Testaments (Gen 1; 6-9; Ex 14; Ps 77; 78; 105; 106; 114) ausgeweitet werden.

Das Teilprojekt 1 war Veranstalter des internationalen Workshops "Herrschaftslegitimation und königliche Selbstdarstellung" (27.-29.08.2014).

"The Tamed Powers of Chaos and the Divine Gift of Fertility: Motifs of Nature in the Ancient Hebrew Ideology of Kingship and their Transformation in the History of Salvation in the Old Testament"

The project covers two fields of research that are thematically closely connected but related to different phases of the history of Israel.

The first main area is the ambivalent interpretation of nature in the cultures of the ancient Near East, symbolized in the motif of the tamed powers of chaos. The project seeks to demonstrate that the Iron Age kingdoms of Israel and Judah shared this concept and, like other monarchies in the ancient Near East, used it to formulate an ideological justification of political power. The project reconstructs the ancient Hebrew ideology of kingship, based on Old Testament texts originating in the monarchic period and on textual and iconographic sources from the monarchic period. The leading motif of reconstruction is the idea of the tamed powers of chaos. The project investigates this idea and its ideological implications, focusing on the motif of the synergism of the divine king with the human king.

The second main area of the project addresses the transformations of this idea in the wake of the downfall of the Israelite and Judahite monarchies. It analyzes the processes of transformation resulting from the successive catastrophes of kingship in the 8th to the 6th centuries B.C.E., based on key texts of Deuteronomy, since this book originated in the transition from the late monarchic period to the post-monarchic era. The main emphasis lies on such texts in the framework of Deuteronomy that contain motifs of nature (esp. Deut 32 and 33). The fact that at least the final form of these texts is related to the theology of the history of salvation (Heilsgeschichte) in the narrative of the Pentateuch – a theology focused on Israel as God’s people – greatly influences the conceptualization of nature in these texts and minimizes the weight of the traditional motif of the divine battle against the powers of chaos (Chaoskampf). However, striking continuities in tradition history can be observed as well (e.g., in motifs related to the imagery of the divine weather-god in Deut 28 and 33). The theological meaning of these continuities has hitherto scarcely been described yet. By reconstructing these processes, the project helps to describe the theology of Deuteronomy, especially in its later layers, in a perspective of religious history.