DFG-Forschergruppe Natur
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Tagung "Naturkatastrophen"

Abschlusstagung der DFG-Forschergruppe 1986: Natur in politischen Ordnungsentwürfen: Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit; Ort: Benediktinerabtei Ettal, Kaiser-Ludwig-Platz 1, 82488 Ettal

10.10.2019 – 13.10.2019

Naturkatastrophen

Naturkatastrophen liefern das wohl spektakulärste Beispiel für die grundlegende Ambivalenz, die das Verhältnis von Natur und Ordnung von den Kulturen des Alten Orients bis zur Frühen Neuzeit (und darüber hinaus) kennzeichnet. Zum einen dient die Natur als Modell und Berufungsinstanz zur Legitimierung und Autorisierung gesellschaftlich-politischer Ordnung. Zum anderen aber auch als Gegenbild und Gegenkraft zivilisatorischen Strebens, als das wilde Andere der Ordnung, dem diese immer erst abgerungen werden muss und von dem sie latent ständig bedroht bleibt. In Ereignissen wie Erdbeben, Sturmfluten oder auch Pestepidemien gelangt diese Latenz zu zerstörerischer Aktualität. Natur zeigt sich als Chaos, dessen destruktiver Übermacht keine Ordnung gewachsen ist. Zugleich aber wird selbst noch dieser Zusammenbruch der Ordnung in Ordnungszusammen-hänge eingeschrieben. Als göttliches Strafgericht etwa wird die Katastrophe zum Beleg einer der Natur inhären-ten oder ihr gebietenden Ordnungsmacht, deren Herrschaft als umso unhintergehbarer wahrgenommen wird, je verwüstender sie sich manifestiert.


Ziel der Tagung ist es, die vielfältigen kulturellen Repräsentationen und Bedeutungszuschreibungen, die Naturkatastrophen in Antike, Mittelalter und der Frühen Neuzeit erfahren haben, in interdisziplinärer Perspektive zu beleuchten. Zur Debatte stehen dabei stets jene Vorstellungen von göttlicher, kosmisch-natürlicher und gesellschaftlich-politischer Ordnung, die zur Deutung von Naturkatastrophen herangezogen, durch sie betätigt, in Frage gestellt oder auch unhaltbar werden.


In vormodernen Kulturen wurden Naturkatastrophen seit jeher auf Zustand und Beschaffenheit menschlicher Gemeinschaften bezogen – als Warnung, Strafe oder auch kathartische Gründungsereignisse neuer Ordnung. Diese anthropozentrische Sicht schien durch den Aufstieg der modernen Naturwissenschaften obsolet geworden zu sein. In der Jetztzeit des ‚Anthropozäns‘ ist mit den Auswirkungen des technisch-industriellen Fortschritts auf das globale Ökosystem erneut der Mensch ins Zentrum der Auseinandersetzung mit Natur-katastrophen gerückt. Werden diese als „Rache der Natur“ bezeichnet, so greift dies auf vormoderne straftheologische Deutungsmuster zurück. Durch die historischen Fallstudien der Tagung soll der Blick auch auf diese aktuellen Entwicklungen geschärft werden.


Kontakt und Anmeldung: joerge.bellin@kunstgeschichte.uni-muenchen.de

Ettal_Naturkatastrophen